Mental Health

Unsere Welt ist im Wandel. Das spüren wir auch privat. Sorgen und Ängste können unsere Psyche belasten. Aber es gibt Mittel und Wege, unsere seelische Gesundheit zu stärken. Ein kleiner Leitfaden für positiven Widerstand

Sie erinnern an die Cartoonfiguren aus den „Looney Tunes“ oder an John Cleese im Monty-Python-Sketch „The Ministry of Silly Walks“: die Jugendlichen, die auf TikTok mit albernen Bewegungen trotzig in der Gegend herumstapfen. Unter dem Hashtag „StupidWalkChallenge“ wurden auf der Plattform fast 75 Millionen Videos gepostet, häufig unter dem Motto: „Going on a stupid walk for my stupid mental health.“ Bedeutet: „Ich mache einen blöden Spaziergang für meine blöde psychische Gesundheit.“ Warum? Weil Corona-Experten weltweit während der Pandemie vor einem Anstieg von Angststörungen und Depressionen vor allem bei Jugendlichen warnten und ihnen rieten, zumindest einen Spaziergang an der frischen Luft zu machen. Die jungen TikToker gehen also widerwillig spazieren, hassen es und filmen sich dabei. Leider haben sich die Warnungen der Experten bewahrheitet: Aus Umfragen und Studien geht hervor, dass in der Pandemie schwere depressive Symptome bei Jung und Alt zugenommen haben, am meisten jedoch bei den 14- bis 24-Jährigen. Und die Sache mit dem verordneten Spaziergang? Ist kein Witz, denn: Täglich eine halbe Stunde Bewegung an der frischen Luft stärkt nachweislich nicht nur den Körper, sondern auch den Geist. Dazu später mehr.

Good Mood

Was bedeutet „Mental Health“? Wer den englischen Begriff googelt, erhält fast 4 Milliarden Ergebnisse. Ein Beweis, dass er weltweit trendet. Die Übersetzung lautet „seelische, geistige oder psychische Gesundheit“. Die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert Mental Health als „Zustand des Wohlbefindens, in dem eine Person ihre Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen, produktiv arbeiten und einen Beitrag zu ihrer Gemeinschaft leisten kann“. Meint: Unser psychisches Wohlbefinden ist die Voraussetzung dafür, alltägliche Herausforderungen zu meistern, unser Leben selbstbestimmt und zielorientiert zu gestalten und uns produktiv in die Gesellschaft einzubringen. Klingt heutzutage nach einer Herkulesaufgabe. Umso wichtiger ist es für jeden Einzelnen zu erkennen, wie er den ständigen Wechsel zwischen Anspannung und Erholung, der unser alltägliches Privat- und Berufsleben ausmacht, im Gleichgewicht halten kann. Stichwort: seelische Balance. Diese kann durch ungelöste Probleme, dauerhaften Stress und Schicksalsschläge wie den Verlust eines geliebten Menschen erschüttert werden. Und von den Auswirkungen globaler Krisen.

Psychisches „Immunsystem“ stärken

So, wie wir unseren Körper fit halten und ihn gesund ernähren, können wir auch unsere Resilienz – die Widerstandskraft der Seele – trainieren. Wer resilient ist, schafft es auch in Krisen, psychisch gesund zu bleiben bzw. rasch wieder in seine seelische Balance zurückzufinden. Resilienz ist teils angeboren, teils in der Kindheit gelernt, doch wir können sie auch als Erwachsene noch beeinflussen, so Experten. Das wichtigste Rüstzeug dafür sind Akzeptanz und Selbstwirksamkeit. Akzeptanz bedeutet, dass wir die Umstände, die wir nicht beeinflussen können, als gegeben sehen. Und dann das Beste aus der Situation machen. Selbstwirksamkeit ist die Überzeugung, dass wir selbst etwas bewirken können. Etwa indem wir nachhaltig leben und Plastik vermeiden, um der Umweltzerstörung entgegenzuwirken. Im Kleinen etwas zum Grossen beizutragen, verbessert die akute Situation und stimmt optimistisch.

Beauty-ABC

Soziales Netzwerk pflegen

Damit sind nicht Instagram & Co. gemeint, sondern echte, analoge Beziehungen zu Familie und Freunden. Umgeben Sie sich mit Personen, die Ihnen guttun, denn der Mensch ist ein soziales Wesen und Gemeinschaft in Krisen ein wichtiger Schutz. Plagen Sie Sorgen, dann reden Sie mit jemandem, der Ihnen wirklich zuhört – dabei kann sich für Sie eine neue Perspektive entwickeln. Brauchen Sie Rat und Unterstützung, dann bitten Sie konkret darum. Ungefragt Ratschläge zu erhalten, ist nicht hilfreich. Am schönsten aber ist es, wenn unser Vertrauensmensch uns tröstend umarmt. Denn liebevolle Berührungen wirken über die Haut direkt auf unser Gehirn und aktivieren das Kuschelhormon Oxytocin – Streicheleinheiten für die Seele.

Regelmässig den Pausenknopf drücken

Wir brauchen Momente, in denen der Stress nachlässt. Studien, in denen Menschen vor, während und nach den Corona-Lockdowns befragt wurden, haben gezeigt: Erholten sie sich zwischendurch gut vom Stress, blieben sie eher psychisch gesund. Pause machen ist eine wirkungsvolle Resilienz-Methode. Doch der „Pausenknopf“ liegt bei jedem Einzelnen woanders. Wer durch Stress reizbar wird, dem hilft es, sich zum Beispiel beim Ausdauersport auszupowern. Die ausgeschütteten Endorphine reduzieren Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin. Andere befreien sich von ihrem Frust, indem sie ihn an einem abgelegenen Ort laut herausschreien. Kreative und musische Menschen finden beim Malen, Basteln, Heimwerken oder beim Singen und Musizieren wohltuende Ablenkung. Es ist erwiesen, dass Musik sich positiv auf Muskelspannung und den Hormonhaushalt auswirkt. So kann Musik glücklich stimmen, beruhigen und sogar Schmerzen lindern. Der Grund dafür liegt in der natürlichen Reaktion auf harmonische musikalische Klänge, die auf das limbische System einwirken – wo unsere Emotionen entstehen. Am besten ist es, wenn wir zur Musik die Hüften schwingen, denn: Tanzen hält Körper und Geist fit, baut Stress ab, reduziert das Demenzrisiko – und macht Spass. Wer sich gezielt entspannen und seine innere Ruhe finden will, probiert Techniken wie autogenes Training, progressive Muskelentspannung nach Jacobson oder fernöstliche Methoden wie Qigong, Tai-Chi, Yoga und Meditation. Sie alle haben sich bewährt.

Natur statt Nachrichten

Unablässiger, vor allem digitaler Medienkonsum ist schlecht für die innere Balance, so das Ergebnis einer Online-Befragung der Texas Tech University. Die Betroffenen konnten sich schwer von dem Gelesenen und Gesehenen lösen und litten häufiger an körperlichen und psychischen Beschwerden. Experten raten, sich nur zu festen Zeiten über die Lage in der Welt zu informieren, dazwischen sollte man bewusst medienabstinent bleiben. Das beste Rezept, um den Kopf wieder freizubekommen und zu entschleunigen, ist ein analoger Waldspaziergang – ohne Smartphone. Es geht darum, die Natur mit allen Sinnen wahrzunehmen und bewusst ein- und auszuatmen. Unser Körper nimmt verstärkt Sauerstoff auf, das Gehirn wird besser durchblutet, die Konzentrationsfähigkeit steigt, Glückshormone verdrängen die Stresshormone. Die Japaner nutzen „Shinrin Yoku“ schon lange als Therapie – und „baden in der Atmosphäre des Waldes“.

8

Bausteine für mehr psychische Widerstandskraft benennt der Berliner Autor, Coach und Psychologe René Träger: Verantwortungsübernahme, Akzeptanz, Zukunftsorientierung, Lösungsorientierung, Optimismus, Netzwerkorientierung, Selbstwirksamkeit und Erholung.

25

Prozent mehr Angsterkrankungen und Depressionen verzeichnet die WHO seit Beginn der Pandemie.

Depression

Hauptsymptome sind eine anhaltend gedrückte Stimmung, Interessenverlust, Freudlosigkeit, Antriebsmangel, Ermüdbarkeit. Nebensymptome reichen von Appetitlosigkeit bis zu Suizidgedanken. In der Schweiz hilft der Notruf Tel. 143 (www.143.ch) Betroffenen weiter.

Glückshormone

Das sind die Botenstoffe, die unser Wohlbefinden steigern: Serotonin – das Balancehormon, Dopamin – das Belohnungshormon, Oxytocin – das Kuschelhormon, Noradrenalin – das Leistungshormon, Endorphin – das Schmerz-weg-Hormon, Phenethylamin – das Liebeshormon

Psyche

Das altgriechische Wort bedeutet „Atem, Hauch, Leben“, aber auch „Schmetterling“. Es bezeichnet die Gesamtheit des menschlichen Fühlens, Empfindens und Denkens.

Gelassenheit, Mut und Weisheit

Darum bittet das berühmte „Gelassenheitsgebet“ (Serenity Prayer) des US-amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr: „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“

Happy Food

Das Glück beginnt im Darm. Unsere Ernährung trägt dazu bei, ob wir uns niedergeschlagen oder fröhlich, ängstlich oder zuversichtlich fühlen.

33

Prozent der 14- bis 24-jährigen Schweizer gaben im November 2021 an, unter schweren depressiven Symptomen zu leiden.

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