Eyes wide open
Sie sind unser Fenster zur Welt und gelten als Spiegel der Seele. Die Augen vermitteln uns mehr Eindrücke als jedes andere Sinnesorgan. Grund genug, mal einen genaueren Blick auf sie zu werfen.
Wir schattieren sie mit Farben, umranden sie mit Kajal, tuschen ihre Wimpern und verwöhnen sie mit speziellen Cremes. Kurz: Wir verwenden viel Zeit, um unsere Augen vorteilhaft zur Geltung zu bringen. Höchste Zeit, mal hinter die Kulissen unseres Sehapparats zu blicken, fernab von jeglichem Make-up. Denn unsere Augen sind ein Wunderwerk der Natur.
Sie vermitteln mehr Eindrücke als jedes andere Sinnesorgan. Pro Sekunde nehmen sie 10 Millionen Informationen auf und geben sie ans Gehirn weiter. Dabei funktionieren sie wie eine Kamera. Wie bei einem Kameraobjektiv fällt Licht durch die einzelnen Bauteile des Auges – Hornhaut, vordere Augenkammer, Pupille, Linse und Glaskörper – bis auf die Netzhaut. Dort wird das Licht gebündelt und es entstehen Bilder. Diese wandern von der Netzhaut über den Sehnerv zum Gehirn. Aus der Kombination der Bildeindrücke beider Augen entsteht eine räumliche Vorstellung unserer Umgebung: Wir sehen.
Die Hornhaut ist das Fenster des Auges. Durch sie fällt das Licht hinein. Sie besteht aus Kollagenfasern, die so fein miteinander verwoben sind, dass sie eine glasklare Kuppel bilden, etwa einen halben Millimeter dick. Die Hornhaut bündelt eintretende Lichtstrahlen und erzeugt auf der Netzhaut ein Bild.
Die Lederhaut, das Weisse im Auge, schützt vor Verletzungen. Sie umschliesst den Augapfel fast vollständig und lässt zwei Lücken frei: vorne für die Hornhaut, hinten für den Sehnerv.
Die Iris (Regenbogenhaut) ist die farbige Blende unseres Auges. Hier verlaufen zwei Muskeln, die die Pupille je nach Lichteinfall vergrössern oder verkleinern. Ihre Farbe gilt als unveränderliches Merkmal, das sogar im Reisepass erscheint. Sie enthält mit etwa 260 Merkmalen sogar mehr biometrische Merkmale als ein Fingerabdruck. Daher ist der Iris-Scan sicherer als ein Fingerprint.
Die Pupille ist die Öffnung in der Mitte der Iris. Sie stellt sich immer auf die jeweiligen Lichtverhältnisse ein: Bei Helligkeit ist sie nur eine winzige Öffnung, bei Dunkelheit dagegen weitet sie sich, um möglichst viel Licht hindurchzulassen. Ausserdem wird sie von Emotionen beeinflusst: Bei Aufregung, Angst oder Freude weitet sie sich.
Die Augenlinse bündelt das durch die Pupille eintretende Licht, sodass auf der Netzhaut ein scharfes Bild entsteht. Sie ist elastisch und kann ihre Brechkraft ändern, um weit entfernte oder nahe Gegenstände zu fokussieren. Im Laufe des Lebens wird sie immer steifer, ihre Brechkraft geringer – im Endstadium äussert sich das als Alterssichtigkeit.
Der durchsichtige, gelartige Glaskörper füllt das Augeninnere zwischen Linse und Netzhaut aus. Die Netzhaut (Retina) ist die extrem lichtempfindliche Innenauskleidung des Auges, besetzt mit 127 Millionen Lichtrezeptoren. Diese wandeln das Licht in Nervenimpulse um. Für das Farbsehen sind Zapfenrezeptoren zuständig, für das Hell-Dunkel-Sehen Stäbchen.
Braun, blau, grau, grün …
Wie entsteht eigentlich die Farbe unserer Augen? Und was hat das mit unseren Vorfahren zu tun? Das Stichwort lautet: Melanin. So heisst das braune Pigment, das nicht nur die Farbe unserer Haut und Haare, sondern auch die der Augen bestimmt. Genauer gesagt, die Farbe der Iris. Je mehr Melanin in der Iris eingelagert ist, desto dunkler die Augenfarbe. Eine geringe Melaninkonzentration lässt die Augen – je nach Dosierung – grün, blau oder grau erscheinen. Je weniger Melanin, desto heller (also blauer) die Augen. Auch wie das Licht gestreut wird, wenn es durch das Auge fällt, beeinflusst seine Farbe: Melanin absorbiert Licht und verhindert seine Reflexion, wodurch eine dunklere Farbe entsteht. Bei wenig pigmentierten Augen dagegen wird mehr Licht reflektiert, sie erscheinen heller.
Die häufigste Augenfarbe weltweit ist Braun, sie kommt (je nach Statistik) bei 70 bis 80 oder 90 Prozent der Menschen vor. Der Rest verteilt sich auf Blau (8 bis 10 Prozent), Haselnussfarben (5 Prozent), Bernsteinfarben (5 Prozent), Grau (3 Prozent) und Grün (2 Prozent).
In ganz seltenen Fällen kommt es vor, dass ein Mensch zwei verschiedene Augenfarben hat. Diese Genmutation heisst Iris-Heterochromie. Sie ist zum Beispiel ein Markenzeichen der Schauspielerin Kate Bosworth: Ihr linkes Auge ist blau, während in ihrem rechten ein grosser brauner Fleck prangt.
Melanin agiert als eine Art Schutzmechanismus gegen UV-Strahlen. So ist es kein Wunder, dass Menschen in Ländern mit viel Sonneneinstrahlung dunklere Haut und dunklere Augen haben, während helläugige, hellhäutige Menschen vor allem in den nördlichen Breiten leben. Ihre Augen sind lichtempfindlicher, die Sonnenbrille beim Urlaub im Süden oder in den Bergen ist daher ein Muss.
Übrigens: Dass hellhäutige Babys meist mit blauen Augen auf die Welt kommen, liegt daran, dass bei ihnen das Pigment Melanin noch kaum vorhanden ist. Ob das Neugeborene seine blaue Augenfarbe behält, entscheidet sich erst gegen Ende des ersten Lebensjahres. Denn die Augenfarbe des Babys hängt von derjenigen der Eltern ab. Dabei gibt es dominant und rezessiv vererbte Augenfarben. Das rezessive Merkmal wird vom dominanten verdrängt – das heisst,
eine Augenfarbe ist stärker als die andere. Braun steht auf der Dominanzliste an erster Stelle, gefolgt von Grün, Blau und Grau. Beispiel: Wenn das Kind einen braunäuigen Elternteil und einen blauäugigen hat, bekommt es höchstwahrscheinlich braune Augen. Vereinfacht gesagt. Tatsächlich gehen Wissenschaftler davon aus, dass bei der Entstehung der individuellen Augenfarbe mindestens 16 Gene beteiligt sind. Deswegen bleibt Babys Augenfarbe am Ende doch eine grosse Überraschung.
Bitte blinzeln!
Unser „Fenster zur Welt“ hat natürlich auch eine Jalousie, die wir in Sekundenbruchteilen runterlassen können – das Augenlid. Bewegt wird es von zwei Muskeln: dem oberen Augenlidheber und dem Augenringmuskel. Im Zusammenspiel schliessen sie reflexartig die Lidspalte, zum Beispiel, wenn uns Staub oder eine Mücke entgegenfliegt oder grelles Licht entgegenscheint. Ausser dem Schutz vor äusseren Reizen oder Verletzung haben unsere Augenlider noch eine weitere wichtige Aufgabe. Und deshalb blinzeln wir im Durchschnitt alle 4 bis 6 Sekunden. Denn durch das schnelle Öffnen und Schliessen der Lider wird auf der Hornhaut der Tränenfilm erneuert. Diese salzhaltige Flüssigkeit bewahrt das Auge vor Austrocknung und versorgt es zusätzlich mit Glukose, Proteinen und vielen weiteren Nährstoffen. Etwa mit dem antibakteriell wirkenden Lysozym, das unseren Sehapparat vor Infektionen schützt. Und mit den Vitaminen A, B2, B6, B12 und C. Die Tränenflüssigkeit spült Fremdpartikel in den inneren Augenwinkel, wo sie abfliessen können. Ausserdem ist sie mitverantwortlich für scharfes Sehen. Denn beim Blinzeln wird zugleich die Augenoberfläche entspiegelt.
Apropos Tränen
Je nach Auslöser werden sie unterschiedlich genannt. Da sind zum einen die Basaltränen, die wir bei jedem Blinzeln über die Hornhaut spülen. Die Reflextränen fliessen, wenn das Auge gereizt wird, etwa durch Wind, Rauch, beim Zwiebelschneiden oder wenn wir auf eine scharfe Chili beissen. Die dritte Art sind Tränen, die durch starke Gefühle wie Wut, Trauer oder Freude entstehen. Produziert werden sie alle in drei Tränendrüsen oberhalb der äusseren Augenwinkel.
Während die Schutzfunktion biologisch einfach erklärbar ist, haben die Forscher noch keine eindeutigen Ursachen für emotionale Tränen gefunden. Fest steht laut Deutscher Ophthalmologischer Gesellschaft (DOG, Fachgesellschaft für Augenheilkunde) nur, dass Frauen bis zu 64-mal im Jahr weinen, Männer höchstens 17-mal. Aber nicht von klein auf. Bis ungefähr zum 13. Lebensjahr weinen Mädchen und Jungen gleich häufig. Dann überholen die Frauen die Männer. Frauen weinen aber nicht nur häufiger, sondern auch länger. Sie lassen im Schnitt sechs Minuten lang die Tränen kullern, bei Männern sind es zwei bis vier Minuten. Für die geschlechtsunterschiedliche
Tränenproduktion vermuten Forscher verschiedene Gründe. Zum einen die unterschiedliche Geschlechtersozialisation: Jungen wird von klein auf gesagt, dass sie sich zusammenreissen und nicht heulen sollen. Aber auch andere Gründe sind möglich: Man vermutet, dass der Botenstoff Prolaktin, den Mädchen in der Pubertät verstärkt produzieren, die Hemmschwelle zum Weinen senkt.
Augen-Wellness 2.0
Fühlen sich Ihre Augen nach einem Bürotag müde, überanstrengt und trocken an? Kein Wunder. Computerarbeit erfordert Höchstleistung von unseren Augen. Denn für das andauernde Betrachten einer nahen, leicht leuchtenden Fläche ist unser Auge nicht gemacht. Der direkte Blick in eine Leuchtquelle – aka Bildschirm – ist für uns eine aus evolutionärer Sicht völlig neue Aufgabe. Darauf ist unser Sehorgan nicht spezialisiert – im Gegenteil: Beim direkten Blick ins Licht verbrauchen die Netzhautzellen besonders viel Rhodopsin. Dieses sogenannte Sehpurpur stellt der Organismus zwar selbst her, unter anderem aus Vitamin A. Ist die Beanspruchung jedoch hoch, kommt die körpereigene Produktion nicht mehr hinterher. Müdigkeit und Konzentrationsprobleme sind die Folge. Beim Blick auf den Bildschirm reduziert sich die Lidschlagfrequenz. Statt rund 15-mal pro Minute blinzeln wir nur noch 5-mal. Die Augen werden nicht mehr ausreichend befeuchtet und trocknen aus. Staubpartikel werden nicht mehr weggeschwemmt und reizen die Hornhaut.
Also: Gönnen Sie Ihren Augen jede halbe Stunde eine Pause für einen Blick in die Ferne. In den meisten Fällen reicht schon der Blick aus dem Fenster auf die Strasse. Rollen Sie die Augen hin und wieder ganz bewusst. Das hilft, den Tränenfilm auf den Augen zu verteilen. Decken Sie mit Ihren Händen die Augen ab. Schliessen Sie die Lider und verharren Sie mehrere Sekunden. Dieses sogenannte Palmieren können Sie sich zwischendurch am Schreibtisch gönnen und zu Hause auf dem Sofa. Beim Augenyoga kommt die 20-20-20-Regel zur Anwendung: alle 20 Minuten 20 Sekunden lang auf etwas schauen, das mindestens 20 Fuss (ca. 6 Meter) entfernt ist. Dabei blinzeln, blinzeln, blinzeln.
Eyes: Wunderwerk Auge – erstaunliche Zahlen und Fakten
10 – 15 Mail in der Minute blinzelt ein erwachsener Mensch. Hochgerechnet sind das etwa 14‘400 Lidschläge am Tag und 5 Millionen im Jahr. Ein Lidschlag dauert etwa 100 bis 150 Millisekunden und wird vom Augenringmuskel ausgeführt – dem schnellsten Muskel unseres Körpers. Aufgrund der Geschwindigkeit des Lidschlags nehmen wir die kurzzeitig entstehende Dunkelheit und ausbleibende Information meist nicht wahr.
Beim Niesen schliessen wir reflexartig die Augen. Wir können nicht anders. Denn beim Niesen spannt sich automatisch die Körpermuskulatur an, auch die der Augen. Zudem erfüllen die Augenlider so ihre Schutzfunktion gegen Fremdkörper und Keime.
6 Muskeln sorgen dafür, dass sich das Auge bewegen kann: vier gerade und zwei schräge Muskelstränge. Wir können sogar mit den Augen „rollen“. Die äusseren Augenmuskeln gehören übrigens zu den aktivsten unseres Körpers.
Eine Träne wiegt ca. 15 Milligramm. Im Laufe unseres Lebens vergiessen wir etwa 28 Liter davon.
127 Mio. Lichtrezeptoren besetzen die Netzhaut (Retina). Sie wandeln das Licht in Nervenimpulse um, nachdem es Hornhaut, Linse und Glaskörper durchquert hat. Die Nervenimpulse werden über den Sehnerv ins Gehirn weitergeleitet. Dort erst entstehen Bilder – in Bruchteilen von Sekunden aus rund 10 Millionen Informationen in 600’000 Farbtönen.
Im Schnitt ist ein Auge von über 200 Wimpern umgeben, am Oberlid sind sie zahlreicher und länger als am Unterlid. Ihre Lebensdauer: 2 bis 3 Monate.